Der Irseer Pegasus

Die Tür zum Kloster ist für Riesen. Sie macht alle klein, selbst den kalten Wind, der mit mir eintritt. Ich bin eingeladen, eine von achtzehn Ausgewählten, meinen Text im Gepäck, um den Pegasuspreis zu erringen.

Prächtig wie ein Schloss ist das Kloster. Kein Wunder, dass es Plünderer angezogen hat, mal Bauern und dann Horden von Soldaten. Erstürmten sie die gleichen Stufen, die jetzt unter meinen Schritten ächzen?
Die Mönche wagten immer wieder einen Neuanfang, um zu beten, zu arbeiten und zu lesen. Und alle, die gaben, erkauften sich einen guten Platz im Himmel. Dort sitzen sie nun mit ihren weißen Seelen.
Dunkle Zeiten kamen, als das Mönchsleben im Kloster endete. Auch daran sollten wir denken, obwohl es in diesen lichten Räumen kaum möglich ist.

Wir lesen und arbeiten uns durch die einzelnen Texte. Vielleicht betet der eine oder andere auch. Es wird diskutiert, kritisiert und bewertet, wir hören zu und lernen. Der Autor schweigt und hat das letzte Wort. Ich lerne, dass eine handwerklich gut geschriebene Geschichte, passend zum Thema, nicht genügt. Sie muss berühren, unter die Haut gehen und sprachlich anders sein, als jemals zuvor Gehörtes. Wir wählen selbst die besten Drei aus, und die meisten sind zufrieden.

Drei Nächte verbringe ich zwischen den Klostermauern, die viel erzählen könnten. Das Klosterbier schenkt einen tiefen Schlaf. Nur im Morgengrauen geschieht Seltsames mit mir. Mal höre ich von den Mönchen, dass der Klöppel einer Glocke wie der Körper einer Frau geformt sei.
Dann schaukelt meine Matratze, einige Kinder wollen kichernd unter meine Decke in die Wärme. Sie lassen sich mit lautem Ruf verscheuchen. Sie tun mir nichts, denn es genügt ihnen, dass an sie gedacht wird.
Am letzten Morgen träumt mir, ich habe nicht verhindert, dass meine Mutter fort ging und nie mehr zu uns fand. Mit großem Schmerz erwache ich. Da ist das Rascheln von steifem Tuch im Raum. Und meine Freude, dass alles nur ein Traum war, wird riesengroß. Den Traum schenkten mir die Mönche, damit er mir nütze im Alltag.

Ich möchte mit dem Pegasus nach Hause fliegen. Doch er ist fort. Auch die Postkutsche habe ich verpasst. Nur noch das Horn erklingt aus der Ferne. Auf der gewundenen alten Poststraße verschwindet das Gefährt jenseits der Wiese im Wald. So bestelle ich ein Sammeltaxi und fahre frohgemut mit anderen und vielen neuen Geschichten davon, weit fort von dem Land der Zwiebeltürme und der wilden Bäche.

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